Loslassen ist in aller Munde. Loslassen ist ein schönes Wort. Fast in jeder Yogaklasse, an der ich teilgenommen habe, wurde ich angeleitet „Alles Loszulassen“. Heute weiß ich aus Erfahrung und durch Fortbildungen, dass die Sache mit dem Loslassen häufig so ist, wie „Das Pferd von hinten aufzäumen“ zu wollen.
Das Pferd von hinten aufzäumen ist eine Redewendung die zeigt, dass es in der falschen Reihenfolge erfolgt, eine verkehrte Logik. Jeder Kutscher weiß, dass das Zaumzeug eines Pferdes von vorne her angelegt wird.
Ich besuchte einst eine Klasse. In der Abschlussentspannung wurde ich fünfmal darauf hingewiesen Loszulassen. Wahrscheinlich meinte Sie nur die Muskulatur und Gedanken. Und wenn schon… Ich merkte regelrecht nach dem dritten Mal wie Wut in mir hochkroch. Ich entschloss mich alles festzuhalten weil es meins ist und weil ich bestimme wann losgelassen wird. Ich verfiel fast in eine Trotzhaltung wie ein kleines Kind. So habe ich mich nun einmal gefühlt. Eine nicht so schöne Entspannung aber gute Erkenntnis.
Es ist okay den Schüler in einem Schaffensprozess auf das Thema Loslassen aufmerksam zu machen. Ihn dafür zu sensibilisieren. Als Yogalehrer weißt du jedoch niemals, was der Schüler an Energie mitbringt. Es steht dem Schüler nicht auf der Stirn geschrieben, ich wurde gebrochen, bin in Behandlung oder immer noch traumatisiert. Das Thema Loslassen verdient mehr Respekt. Es verdient mehr Demut. Ich habe gelernt, dass, wenn Loslassen gelingen soll, dazu vorab zwei wichtige Schritte von Nöten sind.
Schritt 1 ZULASSEN. Ich betrachte alle Gefühle, Spannungen und Denkmuster die mit dem Ereignis einhergehen. Ich gebe Ihnen Raum, Respekt und erkenne deren Existenz an. Ich gebe Ihnen womöglich einen Namen und lebe Sie aus. Ziemlich unwichtig welche Technik du präferierst solange Du niemand Anderen damit verletzt und Deine Grenzen kennst.
Begleitet von der Meditation stellst Du dir vor, Du befindest Dich in einem leeren Raum. Dann stellst Du Dir vor, Du wärst wie ein leerer Raum. In einem leeren Raum kannst Du nichts ablehnen oder verstecken. Betrachte nun die Dinge so wie sie sind.
Schritt 2 ABGRENZUNG. Für viele ist Abgrenzung ein negativ behaftetes Wort. Was löst Abgrenzung in Dir aus? Welches Bild kommt Dir in den Sinn? Mein Bild war damals ein Zaun. Ein Zaun der mein Grundstück vom Nachbarn trennt. Das ist schon alles oder ist da mehr?
Der Beckenboden steht anatomisch und energetisch für Abgrenzung. Begrenzung nach vorne, zur Seite, hinten und nach unten. Unser Beckenboden sitzt wirklich ganz wo anders als der Popo. Staunend habe ich nach meiner Schwangerschaft das Wunderwerk Beckenboden gelehrt kommen von einer Kundalini Lehrerin. Der Beckenbodenmuskel an sich besteht aus mittleren Querverstrebungen die die beiden Sitzknochen miteinander verbindet, den äußeren Längsverstrebungen – die Schließmuskeln auf der direkt die Organe sitzen und die inneren Längsverstrebungen, die organtragende Muskulatur.
Der Beckenboden stabilisiert uns. Er steht für innerliche Kraft und Abgrenzung zur Umwelt. Er hilft beim Gebären der Kindesmenschen und er ist es, der zusammenhält oder los lässt. Besonders Menschen die feinfühlig und sensibel sind haben häufig das Problem der Abgrenzung. Sie finden nicht zurück zu Ihrer stabilen Basis. Sie nehmen alle Energien auf und verlieren sich in Anderen ohne sich gesund abzugrenzen.
Wenn du deinen Beckenboden zusammen und nach oben ziehst, was spürst Du? Wo wandert Dein Bewusstsein hin? Nach unten und oben? In die Mitte? Wo bist du dann?
Wie gelingt als nun Loslassen? Erst mal durch Bewusstmachen von Schritt 1, was will ich ZULASSEN und Schritt 2, wovon will ich mich ABGRENZEN?
Es gibt Erinnerungen, die einfach schmerzen. Unglaublich schmerzen. Doch sind wir nur frei in der Gegenwart, wenn wir die Vergangenheit ruhen lassen. Zünde über einem Aschenbecher ein Streichholz an und lass es erst fallen, wenn es nicht mehr geht. Frage: Welchen Preis bezahlst Du, dass Du das flammende Zündholz Deiner Erinnerung immer noch festhältst? Woran merkst Du, dass die Zeit gekommen ist, Loszulassen und weiter zu gehen? Und was könntest Du tun, um das zu beschleunigen?
Du erkennst also womöglich warum das Loslassen so eine heikle Angelegenheit ist und warum wir uns mehr oder weniger alle so schwer damit tun. Was ich dir von tiefen Herzen wünsche: „mögest Du erfolgreich und glücklich sein. Namaste.“


