Das erste Mal in Berührung mit Yoga bin ich gekommen, da war ich 18 Jahre alt und ich war ein sehr trauriges junges Ding. Ich war 16 Jahre als ich meine beiden Eltern verlor. Das war wahrlich keine einfache Zeit. Mit meiner kleinen Schwester und einem süßen Labradormischling war ich ganz allein in Deutschland.
Hier begegnete ich meiner ersten Yogalehrerin. Ich erinnere mich noch gut: Sie war von magischer Anziehungskraft und ich schwebte wie auf Wolke 7. Es kommt in der Yogabranche nicht selten vor, dass du dich als Schüler – egal in welcher Lebenslage – voll und ganz in die Hände deines Lehrers begeben willst. Du schwärmst für ihn oder sie und willst in seiner/ihrer Nähe sein. Du spürst die Effekte des Yoga und willst mehr!
Ich spürte mit meinen Füßen wieder festen Boden, als sie anfing von der Apokalypse zu sprechen und denjenigen die übrig bleiben, weil sie das Licht in sich tragen. Ob sie das Corona-Virus vorhersah?
Ich verabschiedete mich und zog weiter. Auf der Suche nach einem neuen Lehrer, der mir den Weg weisen sollte. Heute lächle ich über diese Gedanken, denn wer sollte dir den Weg weisen, wenn nicht dein innerer Guru: du SELBST.
Auf meiner Yogareise bin ich stets genau den Lehrern begegnet, die für mein Leben und meinen Weg bestimmt waren. Ich glaube nicht an Zufälle, obwohl ich auch äußerst kuriosen Gestalten begegnet bin, die ich schon damals in Frage gestellt habe.
Da gibt es diese Worte meines Ausbildungslehrers. Sie sind noch in meinen Ohren als wäre es gestern: „Wenn du dich auf die vorderste Matte des Lehrers begibst, nimmst du das Erbe und die Tradition aller vorangegangener Meister in dir auf. Du setzt dich ehrfürchtig und in Demut vor deine Schüler, in die Rolle als Lehrer. Du dockst mit deinem Stecker ans Universum, dem allgegenwärtigen, unendlichen Wissen und dann lieferst du ab. Egal was ist, sein wird oder vorher mit dir los war. Du lieferst ab. Du bist Vorbild, verkörperte Tradition und nur für diese bestimmte Zeit ein Polarstern der anderen den Weg weist.“
Yogalehrer ist weder ein geschützter Beruf, noch gibt es eine geschützte Ausbildung. Jeder kann innerhalb sehr kurzer Zeit Yogalehrer werden oder sich dabei Zeit lassen, was nützlich sein kann oder auch nicht. Eins ist Yoga jedoch ganz sicher nicht: Yoga ist nicht ungefährlich und es ist nicht OM, Feenzauber und schöne, positive und wohlwollende Gefühle plus Affirmationen.
Du begegnest als Lehrer vielen Menschen und diesen Menschen steht nicht auf der Stirn geschrieben: ich bin verzweifelt, gebrochen, neurotisch oder in Behandlung. Und wenn dem Lehrer dies nicht einmal als Möglichkeiten bewusst oder ihm gleichgültig ist, dann ist er in meinen Augen ein Möchtegern und Quacksalber.
Ich habe Schulen besucht, in denen stellte sich der Lehrer recht schnell erst einmal mit folgenden Worten vor: „Wäre nicht Yoga gewesen, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich irgendwo in der Gosse“. Oder: „Mit Yoga habe ich meine Depressionen und den Tod meiner Mutter überwunden.“ Einer meiner Lieblingssätze: „Ich war lange schwer krank, ein Wrack und Yoga war meine Heilung.“
Aha! Oha! Schön für dich und was hat das mit mir zu tun? Um was geht es jetzt hier?? Ich komme gerade von einer Nachtschicht und möchte einfach nur Yoga machen. Möchtest du mir gleich eine Heizdecke andrehen?
Es gab eine Zeit in der ich tatsächlich dachte, dass sich in dieser Branche zusammen mit psychischen Wracks und ausgeprägte Narzisten nur sehr auffällige Charaktere tummeln. Hier fühlen sie sich ALLE besonders gut. Gut im Rampenlicht aufgehoben und beschützt von der Erleuchtung, angebetet als der neue Guru. Und wenn du in Deiner Yogapraxis weiterkommen willst, solltest du mit mir schlafen. Sex und Yoga ein eigenes Thema für sich.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich dann von Yoga in Studios und von Lehrern eine Zeitlang enttäuscht distanziert und für mich allein praktiziert.
Schön ist es auch, sich kurz vor und nach einer Yogaklasse die Sorgen und den finanziellen Stress des Lehrers anzuhören. Ein wahrer Monolog darüber, wie hart die Yogabranche ist, welche Kosten zu bewerkstelligen sind und gleichzeitig wohin überall verreist wird… Ich danke herzlich für die Probestunde!
Häufig interessant sind auch die Bilder und Sprache die verwendet werden, wenn du eigentlich in der Haltung des Krieger stehst, mit den Armen parallel zum Boden: „Und nun stell dir vor, dass sich deine Schmetterlingsflügel ausbreiten und sanft im Wind bewegen“. Ich soll was tun, dachte ich mir. Das gleiche hatte ich auch einmal zur Weihnachtszeit, im Sitzen während einer geführten Meditation. Ein paar Männer waren auch in der Klasse. Ich will nicht wissen was die sich gedacht haben!
Besonders irreführend ist eine Anleitung aus einer Mischung von falschem Sanskrit, Englisch und Deutsch, gefolgt von der Motivation: „Shoot your arms in the air!“ Und dann in der Abschlussentspannung wiederholtes, leicht penetrantes: „Lass los, lass los und lass einfach los!“.
Vielleicht will ich nicht loslassen. Vielleicht halte ich noch an etwas fest, weil die Zeit noch nicht dafür reif ist? Ich bin also erstmal noch immer damit beschäftigt es überhaupt erst ZUZULASSEN.
Um es kurz zu machen: NO-GO technisch, No-Go traditionell (Wurzeln) und No-Go demütig. (denglisch). Yoga ist tatsächlich etwas mehr als der nächste Gymnastikkurs im Fitnessstudio.
Ein letzter Punkt um zu sensibilisieren, weshalb der Lehrer Sprache und Bilder reflektiert nutzen sollte, so wie sich selbst und seine Fähigkeiten:
Erinnere dich – es steht dem Schüler nichts auf der Stirn geschrieben.
Meine eigenen zwei traurigen Erfahrungen:
Ich fordere die Schüler dazu auf in die Kindsposition zu kommen, (es heißt besser: Haltung des Kindes). Der Schüler kann nicht und vermeidet meinen Augenkontakt. Er wird unruhig. Ringt um Kontrolle. Er soll sich aufgefordert auf den Rücken legen. Er will nicht. Er ist wie gelähmt. Also leite ich ganz langsam an: Füße nach oben, an die Wand lehnen, Rücken auf Bolster liegend am Boden. Ich lasse den Schüler zu seiner Mitte zurückfinden.
Anderes Ereignis bei Pranayama – Atemübungen. Ich leite die leuchtende Schädelatmung (Kabalabhati) an. Stoßartige Ausatmung durch die Nase. Die Schülerin verlässt fluchtartig während der Übung das Klassenzimmer. Kommt zum Ende der Atemübung zurück und entschuldigt sich. Ich nicke und lächle leicht.
Beide Schüler spreche ich beim Aufräumen vorsichtig auf ihr Befinden an.
Sie äußern sich tatsächlich: Der erste hatte einen sehr gewalttätigen Vater, in der Haltung des Kindes schützte er sich. Die Schülerin wurde als Kind mehrmals missbraucht und hört den Atem bis heute. Ich bin einfach nur still, sprachlos, traurig und wütend. Ich verstehe. Ich sehe diesen Menschen in die Augen und wir vereinbaren andere Haltungen und andere Übungen für die nächste Anwesenheit.
Ich hoffe nun sehr, dass ich dich doch etwas sensibilisiert und ein Stück weit wachgerüttelt habe, wenn es darum geht kritischer bei der Wahl eines Yogalehrers zu sein und im großen Yogalehrer-Markt die Möchtegerns besser zu identifizieren. Denn es steht auch ihnen nicht auf der Stirn geschrieben: „Mein großes Ego ist mir in der Rolle des Lehrers hinderlich. Lauf weiter!“. Höre auf dein Bauchgefühl und deinen Instinkt – sie wissen es beide!
Yoga, das bist du und die Aufgabe eines Lehrers ist es, für eine gewisse Zeit dir den Weg mit Hindernissen zu beschreiben, dich mit Werkzeugen auszustatten und zu abzuwarten, bis du ihn nicht mehr brauchst. Dieser Lehrer sieht nicht nur deinen Körper mit den Einschränkungen, die für ihn offensichtlich sind, sondern mit der Zeit auch die geistigen Hindernisse, die dir den Weg zu deiner Weiterentwicklung versperren. Wähle mit Herz und Verstand.
Ich schreibe über echte Erfahrungen, zeige kritisch auf, beleuchte Sachverhalte, spreche über Unvollkommenheit und somit zugleich Vollkommenheit, erkläre die Yoga-Welt simpel und fordere dich heraus.

